Erlangen, „Home of .mp3“
Das Erlanger Fraunhofer Institut hat sich längst gegen die Patentansprüche anderer Entwickler durchgesetzt und darf die Urheberschaft des .mp3-Standards für sich beanspruchen – wie der Blick in den iPod von Apple beweist.
ERLANGEN – Die Handball-, Hugenotten-, Universitäts- und/ oder Siemensstadt Erlangen verfügt – wie in dieser Serie schon des Öfteren thematisiert worden ist – über eine ganze Reihe Bezeichnungen und Etikettierungen, welche die Wahrnehmung Erlangens dies- und jenseits der Stadtgrenzen beschrieben.
Eine Bezeichnung fehlt jedoch meist: „Erlangen – Home of mp3“! Schließlich wissen nur die Wenigsten, dass in Erlangen vor ziemlich genau 30 Jahren jene technische Revolution ihren Anfang genommen hat, die das Musikgewerbe und das Konsumverhalten einer ganzen Generation äußerst nachhaltig verändert hat. Der Erlanger Elektrotechniker Karlheinz Brandenburg hatte im Jahre 1982 mit einer kleinen Forschungsgruppe des Fraunhofer Instituts für Integrierte Schaltungen (IIS) begonnen, nach einer Kompressionsmethode für Audio-Dateien zu suchen, die es möglich machen sollte, Musik und andere aufgezeichnete Tondokumente durch das damals noch sehr, sehr langsame Internet zu schicken.
Sein cleverer Ansatz: Jedes Musikstücks enthält Töne, die für das menschliche Gehör nicht hörbar sind, aber mit aufgezeichnet und abgespielt werden; die Folge: Datensätze werden dadurch „unnötig“ groß und unhandlich. Wenn es gelänge, die Tondokumente von diesem „unnützen Ballast“ zu befreien, dann würden die Dateien in ihrem Umfang wesentlich reduziert bzw. komprimiert werden können.
Und so machte man sich ans Werk: Als Studienobjekt wählte man Suzanne Vegas unplugged-Hit „Tom’s Diner“ – allerdings ohne dass sie es wusste. Im Jahre 1987 war es dann soweit und es gelang die vollendete Komprimierung, die nicht so klang „als würde sich jemand am Ohr kratzen“, wie sich Karlheinz Brandenburg später erinnerte.
Die Dateiendung .mp3 wurde im Rahmen einer institutsinternen Abstimmung acht Jahre später festgelegt und ab diesem Moment war der Siegeszug nicht mehr aufzuhalten. Die Kompressionsmethode setzte sich bis zur Jahrtausendwende endgültig durch, begleitet von Patentstreitigkeiten mit anderen Unternehmen, die auch gerne ein Stück vom Kuchen abhaben wollten – und fast alle scheiterten.
Endlich war es gelungen, Musik schnell und kostengünstig durch das Internet zu verschicken und es sollte nicht lange dauern, bis Tauschbörsen wie napster das Musikgeschäft nachhaltig durcheinander wirbelten, weil immer mehr Menschen immer mehr Musik für immer weniger Geld bekommen konnten. Optimisten nennen dies die überfällige Liberalisierung eines Bereichs gewerblicher Kunst in dem sich großen Konzerne viel zu lange die Taschen gefüllt haben, andere vergleichen die technische Entwicklung eher mit dem Raubrittertum des Spätmittelalters, das viele Musiker an den Rand der Existenz bringt.
Autor & Fotos: Rainer Windhorst