Interview der Woche mit Lars Geipel – DHB-Schiedsrichter bei der WM 2013 in Spanien

,

„Die Schiedsrichterei ist weit mehr als ein Hobby”

Im Kreise der Weltelite haben sich Lars Geipel und sein Mitstreiter Marcus Helbig längst etabliert. Nachdem es bei Ihrer WM-Premiere vor zwei Jahren in Schweden immerhin zu einem Halbfinaleinsatz langte und beide auch für Olympia in London nominiert waren, hoffen die deutschen Eliteschiedsrichter nach ihrer Nominierung bei der am morgigen Freitag beginnenden WM in Spanien auf mehr. Auf dem Weg nach Barcelona – bei der Zwischenlandung am Wiener Flughafen – stand Lars Geipel der HBL für ein ausführliches Gespräch zur Verfügung. Handball-WM 2011 in Schweden: Schiedsrichter und Delegierte

Glückwunsch zur Nominierung zur WM in Spanien. Nachdem Sie bereits in Schweden 2011 waren und auch in London bei Olympia pfeifen durften, sind Sie ja schon alte Hasen, oder?
Lars Geipel:
Ein wenig stimmt das. Man verfügt natürlich über eine gewisse Erfahrung und geht bestimmte Dinge ein wenig gelassener an. Aber wir freuen uns über unsere erneute Nominierung wie über die erste im Jahr 2011, auch wenn die Aufregung nicht mehr ganz so groß ist.

So ganz überraschend kam diese Nominierung für Sie ohnehin nicht.
Lars Geipel:
Es war keine ganz so große Überraschung für uns. Insofern freut man sich über die Benachrichtigung schon anders als beim ersten Mal, als wir jubelnd durchs Büro gelaufen sind.

Steht denn schon fest, welche Spiele Sie pfeifen werden?
Lars Geipel:
Wir wissen noch gar nichts, weil die Nominierungen erst am Morgen vor den Spielen bekannt gegeben werden. Fest steht allein, dass wir in der Vorrunde in Madrid in der Gruppe A eingesetzt werden, in der auch der Gastgeber Spanien spielen wird. Das wird sicher eine schöne Sache, den Gastgeber zu pfeifen, weil in diesen Hallen bekanntlich die Stimmung sehr euphorisch sein wird. Darauf freuen wir uns.

Sie sind bereits am Dienstag nach Barcelona gereist. Findet dort noch eine spezielle Vorbereitung auf die WM statt?
Lars Geipel:
Wir werden in den Tagen vor der WM noch einen Minikurs besuchen, in dem wir gezielt auf diese WM vorbereitet werden. Zudem müssen wir – wie vor anderen Großveranstaltungen auch – einen Fitnesstest und einen Regeltest absolvieren (beide Tests wurden am Mittwoch bestanden, Anm. der Red.). Aber auch schon in den Wochen vor der WM haben wir daheim ein entsprechendes Programm absolviert. Die Schiedsrichterei ist für meinen Mitstreiter Marcus Helbig und mich ja weit mehr als ein Hobby. Entsprechend professionell gehen wir an die Dinge heran.

Da gilt es sicher als Ehre, für eine WM nominiert zu werden…
Lars Geipel:
Wir empfinden das als eine Belohnung für das, was wir für das Amt auf uns nehmen. Ein großes Turnier wie eine WM ist natürlich das Sahnehäubchen. Da kommen die weltbesten Spieler und Nationalmannschaften zusammen. Das ist noch einmal eine kleine Steigerung zur Bundesliga, die ohnehin schon ein Wahnsinnserlebnis ist. Wir genießen das und wissen, dass das ein Privileg ist.

Ein Privileg, das Sie sich offenbar aufgrund Ihrer Leistungen verdient haben. Für die Liga dürfen Sie am 2. Februar in Leipzig das All Star Game leiten, bei dem die mit Weltstars gespickte Liga-Auswahl gegen die Nationalmannschaft antritt.
Lars Geipel:
Das wird auch wieder ein richtig schöner Höhepunkt werden, wenn all die Superstars unserer Sportart dort für einen Tag zusammenkommen werden. Für uns ist der Druck dabei nicht ganz so immens, weil bei diesem Match natürlich der Spaßfaktor im Vordergrund stehen und das Ganze in einer sehr lockeren Atmosphäre stattfinden wird.

Als internationaler Topschiedsrichter haben Sie sicher auch ein Auge für den Schiedsrichter-Nachwuchs. Muss sich der Handball diesbezüglich Sorgen machen?
Lars Geipel:
Ich denke nicht, dass wir ein Nachwuchsproblem in Deutschland haben. Aber wir machen im absoluten Spitzenbereich schon eine schwere Phase durch. Es wird schon ein wenig Zeit brauchen, um die Lücke zu schließen, die unter anderem auch durch den tragischen Unfalltod unserer Kollegen Bernd und Reiner Methe entstanden ist. Grundsätzlich aber sind wir auf einem richtig guten Weg. Die nächst jüngeren Paare kommen und stehen vor dem Sprung in die nationale und auch in die internationale Spitze. Die Arbeit der Verantwortlichen, allen voran Peter Rauchfuß, und auch die professionelle Ausbildung trägt Früchte, sodass wir uns um junge, hungrige Schiedsrichter hierzulande keine Sorgen machen müssen. Sehr verdient in diesem Zusammenhang hat sich auch der ehemalige Bundestrainer Armin Emrich gemacht, der sich insbesondere um die Betreuung der jungen Top-Schiedsrichter im physischen wie im psychologischen Bereich kümmert.

Wie groß ist denn der Zeitaufwand, den ein Spitzenschiedsrichter leisten muss, um sein Level zu halten?
Lars Geipel:
Das sind schon locker mal 40 Stunden in der Woche, die ich mich mit Handball auseinandersetze. Dazu gehören natürlich die Spiele, aber auch das Training und die entsprechenden Videoanalysen. Man kann sagen, dass das ein vollwertiger Zweitjob ist.

Und ist die Entlohnung dafür angemessen?
Lars Geipel:
Ich denke schon. Wir bekommen pro Spiel 500 Euro.

Und wie lange kann man diesen Job machen?
Lars Geipel:
Die offizielle Altersgrenze liegt bei 50 Jahren. Ich bin nun 37 und mein Kollege 41 Jahre alt. Das bedeutet, dass wir schon noch eine Zeit lang weiter pfeifen können. Aber wir machen das stark von unserer Leistung abhängig. Wir schauen nur von Event zu Event und haben keineswegs die Absicht aufzuhören. Aber wenn unsere Leistung nicht mehr stimmt, wollen wir auch nicht zu denen gehören, die den Weg für jüngere Schiedsrichter blockieren. Allerdings werden Marcus und ich alles dafür tun, dass wir so lange wie möglich pfeifen. Ein Traum von uns wäre die Teilnahme an den Olympischen Spielen in Rio 2016.

Olympia ist immer noch das Größte, oder?
Lars Geipel:
Wir haben die Olympischen Spiele in London erleben dürfen. Das war unbeschreiblich toll. Und das würden wir gern noch ein zweites Mal erleben. Aber wie gesagt: nur wenn die Leistung stimmt.

Bis dahin bleibt Ihnen der aufregende Ligaalltag.
Lars Geipel:
Das ist ohnehin ein tolles Feeling. Egal, in welche Halle wir reisen, die Fans sind überall unglaublich enthusiastisch. Jede Halle hat ihre spezielle Aura und fast alle sind ausverkauft. Das ist bei einer WM längst nicht bei jedem Spiel der Fall. Da kann es passieren, dass sich in einer Riesenarena 500 Besucher verlieren. Und dann ist es viel schöner, in einem Hexenkessel wie in Neuhausen zu pfeifen.

Das macht Sie nach all den Bundesligajahren immer noch an?
Lars Geipel:
Klar, auch wenn der Termindruck groß ist und es wahrlich nicht immer einfach ist, die Schiedsrichterei mit Job und Familie unter einen Hut zu bringen. Doch im Laufe der vergangenen Jahre, haben Marcus und ich Wege gefunden, die die Dinge weniger belastend machen. Es ist immer noch anstrengend, aber wir können deutlich besser mit der Belastung umgehen.

Und wenn das alles mal Vergangenheit ist, können Sie sich vorstellen, den Nachwuchs an Ihren Erfahrungen teilhaben zu lassen und in einem Verband mitzuarbeiten?
Lars Geipel:
Vorstellen kann ich mir das, aber darüber denke ich nach, wenn es so weit ist.

Quelle: HBL Pressemitteilung