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Erlangen, die Karl-Heinz-Hiersemann Halle

Heiliger Boden unter luftiger Holzkonstruktion: Die „KHHH“ ist und bleibt die Heimat des HC Erlangen.

ERLANGEN – Vor rund eineinhalb Wochen hat der Erlanger Stadtrat mit überwältigender Mehrheit die Weichen für die Zukunft des HC Erlangen gestellt und sich für den Ausbau der Karl-Heinz-Hiersemann nach den Standards der Toyota-Handball-Bundesliga entschieden. Bei sportlicher Qualifikation würde der HC Erlangen in der bundesweit gefürchteten „Karl-Heinz-Hiersemann-Hölle“ in Zukunft also auch gegen Gegner wie den THW Kiel oder den HSV Hamburg antreten können. Mit dieser Entscheidung wurde allen Fans, Sponsoren, Helfern und vor allem der in diesem Jahr so erfolgreichen Mannschaft eine tolle Perspektive für die sportliche Zukunft gegeben.

Dabei ist die Karl-Heinz-Hiersemann-Halle ein Ort gelebter sportlicher Geschichte. Generationen Erlanger Handballer haben hier die ersten sportlichen Schritte gemacht, haben große Sieg und schmerzhafte Niederlagen erlebt und sind nicht zuletzt von hier aus in die große, weite Handballwelt gestartet und haben zum Teil bei Welt- und Europameisterschaften Sportgeschichte geschrieben: Roland Wunder, Norbert Münch, Sebastian Preiß, Steffen Weinhold, Czaba Szücs, Georg Münch und einige andere mehr.

Rauch über Erlangen

Dabei hatte der Bau der Halle anfangs unter gar nicht guten Vorzeichen begonnen. Als im Sommer 1985 dunkle Rauchschwaden über die Hugenottenstadt zogen, da stand die „Vierfachturnhalle im Berufsschulzentrum“ kurz vor ihrer Fertigstellung in Flammen. Bei Arbeiten am Dach hatte sich ein Feuer entzündet, das mit der Deckenkonstruktion aus Holz reichlich Nahrung hatte. Doch auch diese Bauverzögerung ging vorüber und die „BZ“ , wie sie in Sportlerkreisen hieß, wurde als damals modernste Halle ihrer Art die Heimspielstätte für die beiden Handballriesen HG und CSG. Der ehrwürdige Hallenboden ist sogar noch Original und hat im Lauf der Zeit manches heiße Derby erlebt und überstanden. Gepflegt wurde der Boden zumindest in der Anfangszeit von C-Jugendspielern der HG, die mit Reinigungsmittel gewaffnet einmal im Monat am Samstag Vormittag das Handball-Harz vom Boden schrubbten.

Umbenennung in Karl-Heinz-Hiersemann-Halle

Im Jahre 1999, ein Jahr nach dem viel zu frühen Tod des großen Förderers des Erlanger Handballs, Karl-Heinz Hiersemann, erfolgte die Umbenennung der „BZ“ in den heutigen Namen. Damit hat der Erlanger Handball nicht nur einem außergewöhnlichen Menschen, sondern auch sich selbst ein Denkmal gesetzt. Schön, dass man sich in Erlangen entschieden hat, diese lange und wunderbare Tradition fortzusetzen.

Autor & Foto: Rainer Windhorst & Wolfgang Zink

Erlangen, die Schlager-Stadt

Zwei Erlanger Legenden gemeinsam auf einer Bühne: Michael Holm und Peter Wackel bei Wackels Gala zum elfjährigen Bühnenjubiläum vor über 2000 Zuschauern im Jahre 2008.
 

ERLANGEN – „Looking for Freedom“, gesungen vom amerikanischen „Knight-Rider“- und „Baywatch“-Star David Hasselhoff, war zu Zeiten des Mauerfalls ein wochenlanger Nummer-Eins-Hit in den europäischen Charts. In einem kürzlich erschienenen Interview wiederholte Hasselhoff noch einmal seine Jahrzehnte alte Behauptung, dass erst „sein“ Lied den Fall der Mauer und damit das Ende des Kalten Krieges herbeigeführt habe. Historiker mögen dies allerdings bezweifeln.

Wie auch immer, der Song wurde nach Hasselhoff eine unkaputtbare Hymne auf allen Kellern sämtlicher Bergkirchweihen der 90er Jahre. Damit kehrte das Lied sozusagen zu seinen Wurzeln zurück, war es doch ein Erlanger, der diesen Schlager elf Jahre (!) vor Hasselhoff auf den Weg gebracht hatte: Der Erlanger Marc Sommer alias Marc Seaberg, heute als charismatischer Inhaber des „Star-Club“ in der Stubenlohstraße ein verlässlicher und bekannter Teil der Kultur-Szene der Hugenottenstadt.

„Tränen lügen nicht“

Einer der größten Schlager-Söhne Erlangens dürfte aber Michael Holm sein, der mit Titeln wie „Tränen lügen nicht“ oder „Mendocino“ deutsche Musikgeschichte geschrieben hat und auch weiterhin hinter den Kulissen als erfolgreicher Produzent, Komponist und Musiker arbeitet. Im Erlangen der Nachkriegszeit aufgewachsen, hat er in den 60er und 70er Jahren die Welt erobert.

„Ladioo“ und „Joana“

Ab Mitte der 90er Jahre tat es Holm ein weiterer Erlanger nach und eroberte sich die Welt: Unter dem Künstlernamen „Peter Wackel“ wurde Steffen Peter Haas aus Bubenreuth zur Galionsfigur der deutschen Party- und Stimmungsmusik und letzten Endes auch ein herausragender Protagonist der Schlagerszene. Hits wie „Party, Palmen, Weiber und’n Bier“, „Joana (Du geile Sau)“, vor allem aber die inoffizielle Handball-Hymne „Ladioo“ haben Peter Wackel eine treue Fangemeinde beschert, die alljährlich nach Mallorca pilgert, genauer gesagt: in den legendären „Bierkönig“ und das „Oberbayern“. Hier gehört Peter Wackel zur Stammbesetzung mit mindestens zwei Auftritten pro Woche.

Daneben tourt Peter Wackel eigentlich ständig durch die Republik, ist aber weiterhin in seiner Heimatstadt Erlangen präsent. Seine Auftritte auf der Bergkirchweih, aber auch beim Adventssingen im „Papa Joe’s“ sind feste Termine im Erlanger Partykalender und regelmäßig bis auf den letzten Platz ausgebucht.

Autor & Foto: Rainer Windhorst

Erlangen, die politische Stadt

Zwei Vertreter Erlanger Erfolgsmodelle: HC-Trainer Frank Bergemann und Aufsichtsrat Joachim Herrmann, zugleich auch Bayerischer Innenminister.

ERLANGEN – Man sollte es nicht glauben, aber Erlangen verfügt über ein politisches Gewicht, das weit größer ist, als man es von einer der kleinsten Großstädte der Bundesrepublik zunächst erwarten würde. Dieser Umstand ist in erster Linie dem parteiübergreifenden politischen Wirken charismatischer Persönlichkeiten in Vergangenheit und Gegenwart zu verdanken.
Auf Bundesebene wäre hier sicher zuerst Dr. Dieter Haack (SPD) zu nennen, der dem Deutschen Bundestag von 1969 bis 1990 angehörte und von 1978 bis 1982 unter Helmut Schmidt der erste Erlanger Bundesminister gewesen ist – und zwar für Raumordnung, Bauwesen und Städtebau.

Zwar kein Minister aber vielbeachteter Vorsitzender im Atomausschuss war Gerhard Friedrich (CSU), MdB mit Wahlkreis Erlangen von 1987 bis 2002.
Sein Nachfolger im Erlanger Wahlkreis wurde 2002 der junge Stefan Müller.
Er hält sein Bundestagsmandat bis zum heutigen Tag und ist seit 2009 Parlamentarischer Geschäftsführer der CSU-Landesgruppe im Deutschen Bundestag und als solcher rückt er zunehmend in das mediale Interesse der gesamten Republik.

Aus diesem Interesse weitgehend verabschiedet hat sich eine ebenfalls sehr charismatische Erlanger Politikerin, die Bundesfamilienministerin der Regierung Schröder von 2002 bis 2005, Renate Schmidt (SPD).
Renate Schmidt war zuvor auch Mitglied des Bayerischen Landtag gewesen, in dem ebenfalls zahlreiche Erlanger Politikgeschichte geschrieben haben; Karl-Heinz Hiersemann etwa, der große Freund und Förderer des Erlanger Spitzenhandballs, war ein gefürchteter Debattenredner für seine SPD und ab 1992 Vizepräsident des Bayerischen Landtags.

Das größte Ass allerdings haben die Erlanger noch im Ärmel: HC-Aufsichtsrat Joachim Herrmann (CSU) ist seit 1994 kontinuierlich Mitglied des Bayerischen Landtag und seit fast fünf Jahren auch Bayerischer Innenminister. Dass dieses hohe Amt noch längst nicht der Höhepunkt der politischen Karriere ist, zeigte sich spätestens im Jahre 2008 deutlich, als der Mittelfranke Herrmann bei der Suche nach einem Nachfolger für Ministerpräsident Günther Beckstein als ernsthafter Kandidat für das höchste bayerische Staatsamt gehandelt wurde und am Ende Horst Seehofer nur knapp den Vortritt lassen musste.

Und sollte Joachim Herrmann eines Tages dann noch der große Wurf gelingen, so wäre dies am Ende ein weiteres erfolgreiches Erlanger Modell, das auf Fleiß, Geduld und Geschick gründet – ganz wie der Erlanger Handball.

Autor & Foto: Rainer Windhorst & Wolfgang Zink

Erlangen, die Kulturstadt – Teil 2: „Bretter, die die Welt bedeuten“

Auch ein Leistungssport: eine portugiesische Körper-Theater-Produktion während des Arena-Theaterfestivals 2009 im Erlanger Markgrafentheater.
 

ERLANGEN – Auf der großen Bühne spielt nicht nur der Erlanger Handballsport. Mit dem Markgrafentheater steht das älteste – und für viele Zeitgenossen schönste – noch bespielte Barocktheater Süddeutschlands im Herzen der Hugenottenstadt.

In drei Jahren wird der von außen sehr unscheinbare, im Inneren jedoch strahlend schöne Bau das 300. Jahr seiner Grundsteinlegung feiern. Heute hat mit dem Theater Erlangen das kleinste Stadttheater Bayerns seine Heimat hier gefunden und mit der Intendantin Katja Ott ein künstlerisch sehr geschärftes Profil erhalten.

In über 250 Aufführungen pro Jahr an den drei Spielorten Markgrafentheater, Theater in der Garage und dem ehemaligen Kino „Glocken Lichtspiele“ präsentieren die rund 25 Schauspieler unter verschiedenen Regisseuren fast das gesamte Spektrum der Bühnenkunst, Von den großen Klassikern bis zu zeitgenössischen, modernen Stücken wird alles geboten, was den Reiz der „Bretter, die die Welt bedeuten“ ausmacht. Ergänzt wird der umfangreiche Spielplan durch zahlreiche Gastspiele und „Zwischendrin“ Veranstaltungen wie Lesungen, Foyergespräche, Matineen und Filmtheatervorführungen.

Aber auch freie und alternatives Theater hat in Erlangen eine große Tradition; zu nennen wären hier die zahlreichen studentischen Amateur-Theater wie die „English Dramatic Society“ am Sprachenzentrum der FAU oder das jährlich stattfindende internationale ARENA-Theaterfestival, das von jungen Studenten der Theater- und Medienwissenschaften organisiert und durchgeführt wird. ARENA erregt jedes Jahr bundesweites Medieninteresse, wenn junge Künstler und Künstlerinnen aus der ganzen Welt in Erlangen zusammenkommen.

Gleiches gilt für das Figurentheaterfestival, das alle zwei Jahre – zum nächsten Mal 2013 – in der Metropolregion stattfindet und ebenfalls auf den Feuilleton-Seiten der Republik wiederzufinden ist.

Man sieht: Nicht nur der Erlanger Handballsport hat mit seiner tiefen regionalen Verwurzelung ein Alleinstellungsmerkmal in Deutschland. Auch der Erlanger Kulturbetrieb ist über Jahrzehnte gekeimt, gewachsen und zur vollen Blüte gereift – was den engen städtischen Rahmen längst gesprengt und letztlich zur bundesweiten Wahrnehmung geführt hat. Ein weiteres Erlanger Modell in seiner schönsten Form.

Autor & Foto: Rainer Windhorst

Erlangen, Stadt der Wissenschaftler – Teil 2: „Emmy Noether“

Das relativ unscheinbare Geburtshaus der bedeutendsten Mathematikerin aller Zeiten, der Erlangerin Emmy Noether, steht in der Hauptstraße 23.

ERLANGEN – Handballspiele werden zwar vor allem mit Herz und Leidenschaft gewonnen, aber mitunter muten die offensiven und defensiven Spielkonzepte
so arithmetisch kompliziert an, dass die vielen Kreuz-, Wechsel- und anderen
Spielkonzepte doch ein bisschen verwirrend sein können – den Laufwegen ganz zu schweigen.

Wenn man bedenkt, dass mit Emmy Noether die nach Ansicht einiger Koryphäen „bedeutendste weibliche Mathematikerin aller Zeiten“ einst in Erlangen geboren wurde, dann kann man schon auf den Gedanken kommen, dass es eben kein Zufall ist, dass die HC-Spieler eigentlich immer taktisch hervorragend eingestellt sind, ihnen die Spielarithmetik quasi „im Erlanger Blut liegt“. Keine Frage, der HC kommt bei sich und beim Gegner zurecht mit komplexen 6:0-, 5:1-, 4:2- oder 3:2:1-Systemen.
Dabei wurde Emmy Noether im Jahre 1882 nicht nur in eine Zeit hineingeboren, in der Handball noch keine Rolle spielte. Frauen kamen ebenfalls erst an zweiter Stelle. Denn das Kaiserreich kannte noch die harsche Trennung zwischen den Geschlechtern und insofern genoss die jüdischstämmige Emmy Noether durchaus ein Privileg, als sie erst die Höhere Töchterschule in Erlangen besuchen durfte und dann später in Ansbach zur Fremdsprachenlehrerin mit Staatsexamen ausgebildet wurde.

Es folgte darauf noch ein Mathematikstudium in Göttingen und Erlangen, das sie mit so großem Erfolg beendete, dass sie in der Folge eine grandiose Universitätskarriere einschlagen konnte. Ein besonderes Lob erhielt sie einst vom großen Albert Einstein für ihr „Noethersches Theorem“.

Mit Einstein verband Emmy Noether allerdings nicht nur die Vorliebe für komplexe Zahlen, sondern auch die jüdische Herkunft, so dass die inzwischen in Göttingen zur absoluten Koryphäe aufgestiegene Emmy Noether im Jahre 1933 Nazi-Deutschland verlassen musste. Sie emigrierte in die USA nach Princeton, verstarb aber nur zwei Jahre später überraschend.

In Erlangen erinnert heute vor allem das Emmy-Noether-Gymnasium mit der
dazugehörigen Sporthalle an die große Mathematikerin. Tragisch ist allerdings,
dass Erlangens jüngste Halle mit Platz für Publikum damals zu klein gerechnet
wurde. So erfüllt die Halle hinsichtlich der Deckenhöhe lediglich die Anforderungen des internationalen Trampolinund Volleyballsports, als Handball-Halle erfüllt sie heute leider nicht viele von der HBL geforderte Kriterien für den Bundesliga-Handball.

Da eine neue, adäquate Halle vor allem eine Kostenfrage sein dürfte, muss also
fleißig weiter gerechnet werden. Schade nur, dass Emmy Noether dabei nicht mehr helfen kann. Sie hatte einst für jedes Problem eine Lösung gefunden.

Autor & Fotos: Rainer Windhorst